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Gemeinde Dobel

T7e - „Von der Schulzenstube zum Rathaus“

Im Jahr 1827/28 konnte ein Dobler Schultheiß zum ersten Mal in einem gemeindeeigenen Rathaus seine Amtsgeschäfte ausüben. Schultheiß, schwäbisch „Schultes“, war bis 1930 in Württemberg die rechtmäßige Bezeichnung für den Ortsvorsteher einer Gemeinde oder Stadt und ist immer noch üblich. Im Königreich Württemberg regelte die Landesverfassung von 1819 und das Verwaltungsedikt von 1822 die Schultheißen-Wahl: Der Oberamtmann setzte eine Versammlung der Aktiv-Bürger an, bei der jeder drei wählbare Bürger vorschlagen sollte. Aus den drei Bürgern, die am meisten genannt wurden, bestimmte die Kreisregierung des Schwarzwaldkreises (Sitz in Reutlingen) den Ortsvorsteher. Die Wahl galt auf Lebenszeit und konnte nur durch „Resignation“ (Rücktritt), Tod oder „Entfernen aus dem Amt“ wegen dienstlicher Verfehlungen beendet werden. Gastwirte durften nicht mehr gleichzeitig Schultheiß sein. Dies war zuvor anders, der Schultheiß wurde durch die Obrigkeit, zuletzt 1810 - 1818 durch den Landvogt, bestimmt. Es wurden oft diejenigen Personen zum Schultheiß ernannt, die durch ihre Verdienste, aber auch durch den Besitz geeigneter Räumlichkeiten das Amt wahrnehmen konnten. Auf dem Dobel standen den Schultheißen bis 1827 keine Amtsräume zur Verfügung. Gastwirte erscheinen häufig auf der Schultheißenliste, besonders die Sonnen-, Rössle- und Lammwirte, die zumeist auch „Compagnieverwandte“ (Teilhaber) von Holzhandelskompanien waren. Von 1694 bis 1838 waren sieben „Kappler“ Schultheiß.
Im Jahr 1777 wurde für Brennholz 1 Gulden 30 Heller an den Rösslewirt Johann Bernhard Kappler (Vater des Schultheißen) bezahlt, 1827 erstellte die Gemeinde ein neues Schul- und Rathaus anstelle des baufälligen Schulhauses, direkt unterhalb der Kirche am Friedhof. Der erste Schultheiß, der 1827/28 ins neue Rathaus einziehen konnte, war Bernhard Pfeifer, von Beruf Fuhrmann. Es sollte sich bald herausstellen, dass das Haus für diese Doppelfunktion zu klein war. Im Jahr 1840 unterrichteten die Schulmeister Mezler und Schuon darin auch 109 Schüler. Da fügte es sich, dass der Lammwirt und frühere Schultheiß (1838-1841) Georg Schweigle seine Wirtschaft aufgeben wollte. Die Gemeinde kaufte 1844 das „Lamm“, um in dem 1799/1802 erstellten Anbau (Bild unten links) Schul- und Rathausräume einzurichten. Im 1. Stock wurden zwei Schulräume, im 2. Stock die Rathausräume eingebaut. Der ältere Gebäudeteil (unten rechts) diente als Lehrerwohnung.

Am 4.Januar 1914 legte ein Kaminbrand im Lehrerwohnhaus alles in Schutt und Asche. Kurz zuvor war die Gemeindeverwaltung in das Erdgeschoss des 1880 von der Witwe Pfeiffer erworbenen Hauses in der Hauptstraße umgezogen, weil dringend weitere Schulräume benötigt wurden. Dadurch entging das wertvolle Gemeindearchiv der Vernichtung. 1914 gab es Pläne, ein kleines “Kurhaus“ ans Rathaus anzubauen. Dies kam wegen dem Ersten Weltkrieg und nachfolgender Wirtschaftskrise nicht mehr zur Ausführung. 46 Jahre lang beherbergte das Gebäude die Gemeindeverwaltung. Auch die „Landjäger“ (Polizeiposten), eine Arrestzelle und eine Zahnarztpraxis waren eine Zeit lang im Gebäude untergebracht.

Am 4.Dezember 1944 entging das Rathaus knapp der totalen Zerstörung, als eine Bombe das benachbarte Kurhotel Sonne traf. In der Nachkriegszeit war Dobel wieder ein gefragter Ferienort. Ein Kurhaus war notwendig. 1960/61 wurde ein neues Rat- und Kurhaus gebaut, jenseits der Hauptstraße auf dem einst zum „Kurhotel Sonne“ gehörenden Grundstück. Das bisherige Rathaus wurde „Ratskeller“. 1984 wurde ans Kurhaus ein großer Kursaal angebaut, die Turnhalle hatte somit als „Festhalle“ ausgedient. 1987 kam ein erneuter Umzug des Rathauses, jetzt wieder näher zur Kirche, ins ehemalige Pfarrhaus. Die Kurverwaltung blieb an Ort und Stelle. Fünf Rathäuser in 160 Jahren, das gibt es nicht oft!

http://www.dobel.de//freizeit-tourismus/aktiv/orts-und-waldhistorische-erlebniswanderwege/t7e-von-der-schulzenstube-zum-rathaus